BIN ICH SÜCHTIG?!?! Die 6 Abhängigkeitskriterien der WHO - Risiken einfach erklärt
Dieses Video heißt bin ich süchtig?
In der medizinischen Fachsprache verzichten wir allerdings weitläufig auf das Wort Sucht, da es von dem Wort siechen abstammt und niemand sich mit einem langsam müffelnd daherkommenden Tod in Verbindung bringen möchte.
Ob jemand im medizinischen Sinne abhängig von einer Substanz ist, entscheidet nicht das Bauchgefühl, auch nicht die eigene Einschätzung – die kann nämlich durchaus trügerisch sein, sondern schlicht und ergreifend die ICD-10 bzw. die ICD-11. Die ICD-10 ist die international classification of diseases, also ein Katalog von Krankheiten für den europäischen Raum. Aktuell wird sie in Kapitel nach dem Alphabet unterteilt. Das Kapitel „F“ ist für psychische Erkrankungen reserviert und zu der gehört auch die Abhängigkeitserkrankungen nämlich die F1.
Bevor wir uns damit beschäftigen was eine Abhängigkeitserkrankung tatsächlich ist, müssen wir abgrenzen was sie nicht ist oder was nicht dazu gehört und was man in unserem Sprachgebrauch leicht verwechseln möchte.
Nicht dazu gehören
- Kaufsucht
- Spielsucht
- Essstörungen
Das sind alles sehr wohl auch Erkrankungen für die es eine Klassifikation gibt, jedoch nicht in F1 und aus dem Grund werde ich mich heute derer nicht widmen. Wenn Sie aber Interesse an einem dieser Ess- oder Impuls-Störungen haben, dann dürfen Sie mir gerne eine Nachricht schreiben und ich werde ein separates Video dazu aufnehmen.
In der F1 finden wir ausschließlich Abhängigkeitserkrankungen von psychotropen Substanzen. Psychotrope Substanzen sind Substanzen die auf die Psyche wirken, das heißt auf das zentrale Nervensystem
Dazugehören
F10 Alkohol
F11 Opioide, dazu gehören auch Heroin, Morphin und Methadon
F12 Cannabinoide, also Haschisch und Marihuana
F13 Sedativa und Hypnotika, also Betäubung- und Schlafmittel
F14 Kokain unter anderem auch Crack
F15 Andere Stimulanzien, wie Amphetamine aber auch Koffein
F16 Halluzinogene wie z.b lsd
F17 Tabak und nikotinhaltige Produkte
F18 flüchtige Lösungsmittel, sogenannte Schnüffelstoffe
F19 multipler substanzgebrauch, also bei einem Konsum von drei psychotropen Substanzen
Ja auch Koffein ist dabei, das wird den ein oder die andere sicher verwundern. Über das Thema Schlafmittel gehe ich nochmal in einem separaten Video ein, denn hier ist es mir besonders wichtig auf die Gefahren von Benzodiazepinen einzugehen.
Seien wir ehrlich, wir alle haben schon etwas auf dieser Liste zu uns genommen und wir haben wahrscheinlich auch schon etwas zu uns genommen, was uns nicht gut getan hat. Sei es jetzt weil es zu viel war, oder eine schlechte Kombination. Tatsächlich ist es sehr häufig, dass gleich mehrere Psychotrope Substanzen gleichzeitig eingenommen werden und das zieht einige Konsequenzen nachsich.
Worauf genau, darauf werde ich später noch genauer eingehen. Ich kann allerdings das Thema nur grob umreißen. Wann ist man nun süchtig?
Die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, hat dafür 6 Kriterien eingeführt, welche zum Teil erfüllt werden müssen, damit man von einer Abhängigkeitserkrankung sprechen kann.
Von den folgenden sechs Kriterien müssen drei erfüllt sein, das heißt man braucht nicht sechs stück sondern nur drei für die Dauer von mindestens einem Monat erfüllen.
- Das erste ist das sogenannte craving. Ein craving ist ein starker Wunsch ein Drang etwas zu konsumieren. Dieser Drang ist so stark, dass wir uns dem quasi nicht entgegenstellen können.
- Das zweite ist eine verminderte Kontrollfähigkeit und zwar über den Beginn also wann fange ich an zu konsumieren, die Dauer – wie lange konsumiere ich und wie viel konsumiere ich und wann höre ich wieder auf. Das heißt uns entgleiten die Zügel wenn wir konsumieren.
- Das dritte sind die Entzugssymptomatiken. Und diese werden sehr viele bei Kaffee bereits kennen. Denn wer regelmäßig Kaffee trinkt und dann reduziert oder aufhört oder pausieren möchte, der oder die bekommt Kopfschmerzen – das ist ein Entzugs-Symptom.
- Das vierte Kriterium ist die Toleranz Entwicklung. In einem anderen Video sage ich „die Leber wächst mit ihren Aufgaben“ und genauso wie wir als wir, als wir zum ersten Mal zu einem Alkohol Getränk gegriffen haben, sehr wenig vertragen haben, bevor uns wirklich schlecht/schwindelig oder wir total enthemmt waren, steigt die Menge bei Alkohol mit der Gewöhnung. Der Körper ist ein extrem anpassungsfähiges ausgeklügeltes Wunderwerk. Und wenn wir den Körper regelmäßig vergiften, dann tut er dasseiine, damit wir trotzdem weiter funktionieren und zwar so gut wie möglich. Wir können also immer mehr „Gift tolerieren“, bis es zu negativen Auswirkungen kommt. Gleichzeitig brauchen wir aber auch mehr Kaffee, damit wir davon noch wach bleiben können.
- Das fünfte ist die Vernachlässigung von unseren Pflichten, aber auch von unseren Interessen und auch anderen Vergnügungen zugunsten dieses einen Konsums. Das heißt, wir ziehen uns vielleicht von Freunden und Familie zurück, weil wir genau wissen, dass wir uns dort etwas anhören dürften, wenn die rausbekommen, dass wir Drogen. Eine Abhängigkeit ist immer auch mit sehr viel Scham verbunden und es ist etwas extrem Unangenehmes, dieses Gefühl, dass man uns auf die Schliche kommt.
- Und das sechste Kriterium ist, dass wir weiter konsumieren obwohl es ganz offensichtlich schädliche Folgen
Sind diese Kriterien unfehlbar? Nein das sind sie natürlich nicht. Diese Kriterien wurden von Menschen gemacht und sie sind nicht in Stein gemeißelt und ganz bestimmt auch nicht unfehlbar. Trotzdem haben sich sehr viele sehr kluge Menschen mit sehr viel Erfahrung über diese Thematik Gedanken gemacht, wie man etwas was so Unbegreifbares und so Verworrenes und so komplex ist wir eine psychische Erkrankung greifbar zu machen.
Es muss immer das Ziel sein, dass es am Schluss einer Behandlung der Patientin/dem Patienten besser geht, das Leid gelindert wurde, im allerbesten Fall Heilung entstehen kann. Worum es nicht geht, ist eine moralische Keule aus dem Rucksack zu holen und damit so lange auf das Gegenüber einzudreschen, bis es einfach platt ist und kraftlos in einen Entzug einwilligt. Das ist nicht das Ziel. Es geht auch nicht um drug shaming. Es geht darum, aufmerksam zu machen. Schau mal hin, dort entwickelt sich dein Leben gerade hin, möchtest du das? Möchtest du diesen Weg weitergehen?
Ich wünsche Ihnen, dass Sie Schritte gehen können, hin zu einem freieren zu einem weniger fremdbestimmten Leben und dass Sie Freude und Entspannung erleben dürfen, ohne dass es Sie schädigt.
Ihre
Christina Benner