Trauer und Verlust Teil 1 - Trauermodelle

Mein Name ist Christina Benner. Ich selbst habe schon mehrere sehr tiefe Trauer Prozesse durchlebt, durchgearbeitet und bewältigt. Aus dem Grund weiß ich ganz genau wie sich tiefe Trauer anfühlt und was sie mit uns macht. Ich konnte selbst nützliche Hilfen erproben und weiß was wirkt. Gleichzeitig durfte ich in den letzten 15 Jahren auch viele Klient/innen in ihrer Trauer begleiten. Dadurch ist mir sehr bewusst, wie individuell und wie unterschiedlich mächtig und stark Trauer sein kann.

Wenn ich von Trauer spreche, dann fasse ich den Begriff sehr weit. Trauer empfinden wir nicht nur, wenn jemand stirbt sondern auch wenn etwas ein Ende findet. Das kann eine Beziehung oder Freundschaft, ein Lebensabschnitt, die Pensionierung oder der Auszug der Kinder sein. Immer wenn etwas zu Ende geht und ist, dann kann Trauer bei uns aufkommen.
Es ist wichtig, dass wir Trauer nicht ignorieren oder beiseiteschieben, denn die Trauer ist ein wichtiger Zeitzeuge, ein Wächter der uns darauf aufmerksam macht: hier ist etwas Wertvolles verloren gegangen.
Trauer fühlt sich nicht angenehm an und wir sind gewohnt unangenehme Gefühle wegzumachen, zu überdecken, uns abzulenken, nicht spüren zu wollen.

Genau wie bei anderen Emotionen ist das ignorieren oder wegmachen von Trauer auf lange Sicht schädlich für uns. Im dümmsten Fall können wir körperliche oder psychische Symptome entwickeln.

Das verrückte an der Trauer ist eigentlich, dass wir ihr nicht entgehen können und trotzdem so gut wie gar nichts darüber wissen.

Was meine ich damit?

Wir alle sind Menschen und leben in sozialen Beziehungen. Andere Menschen wachsen uns ans Herz – manche mehr manche weniger.
Irgendwann gehen Dinge zu Ende und zwar immer. Spätestens mit dem Tod. Das heißt, wir werden früher oder später erfahren, dass uns etwas oder jemand verloren geht. Und das tut weh. Je schwerer der Verlust, desto überwältigender kann die Trauer sein.

Jetzt möchte man meinen, lass uns unsere Gesellschaft auf etwas alltägliches und Unausweichliches wie einen Verlust vorbereitet. Das tut sie aber nicht. Tatsächlich stellen wir leider fest, wenn die Trauer zuschlägt, dass wir in der Regel komplett überfordert und sehr alleine damit sind. Ich habe in der Zeit meiner Trauer den Satz formuliert: In der Trauer ist man immer alleine. Es hat dem Gefühl entsprochen, das ich damals hatte und der Einsicht, dass egal wie andere mit mir trauerten, niemand wirklich genau so empfinden konnte wie ich und nicht genau so spüren konnte wie ich. Weil wir eben Individuen sind und ein großer Teil von uns anderen auf immer verborgen bleibt.

 

Ich sage in fast jedem Video, das müssen sie nicht alleine durchleiden und bewältigen, suchen Sie sich Hilfe. Und gerade weil man sich in der Trauer so alleine fühlt, gilt das ganz besonders in der Trauer. Sie kann uns im wahrsten Sinne des Worts «den Boden unter den Füssen wegreißen» und zwar so mächtig , dass wir gar nicht mehr wissen wo oben und unten ist. Dann ist es gut, wenn wir jemanden neben uns haben, der geerdet ist, einfühlsam und im Idealfall bereits selbst Erfahrungen mit Trauer gesammelt hat.

 

Während ich das Thema Trauer für Sie vorbereitet habe, ist mir jedoch aufgefallen, dass es viel zu umfangreich für ein einzelnes Video ist. Deshalb möchte ich gerne zwei Teile unterscheiden und wer weiß, vielleicht wird eine ganze Reihe daraus.

In diesem ersten Video gehe ich auf die Theorie Trauer ein und erkläre, welche Phasen Trauernde in der Regel durchlebt. Welche Modelle es zur Trauer gibt und wie sich die Trauer gestaltet. Es ist also sehr wissenslastig.

Das zweite Video wird eher praxisorientiert, also wie man sich verhalten kann, wie es sich genau anfühlt und welche Hilfen es gibt.

Ich weiß, dass in unserer ungeduldigen Gesellschaft die Versuchung groß ist gleich ins zweite Video zu springen, aber gerade wenn Sie große Mühe mit Ihrer Trauer haben, möchte ich Ihnen ans Herz legen: investieren Sie die Zeit in die Theorie. Denn in der Trauer fühlen wir uns oft überfordert und ohnmächtig. Sich Wissen anzueignen wirkt dem entgegen und ihre Psyche wird es Ihnen danken, wird weniger überfordert sein und weniger Stresssymptome senden. Investieren Sie also gerne diese Zeit.

 

Diejenigen, welche sich aus Interesse aber nicht aus Leidensdruck das Video ansehen verweise ich auf meine Kapitel. Falls eine Stelle für Sie weniger interessant ist, dann springen Sie ruhig zum nächsten Abschnitt. Ich bemühe mich immer um aussagekräftige Überschriften.

Wissenschaft hat die Aufgabe Unerklärliches zu benennen, begreifbar zu machen und kontrollierbar. Der Mensch, die menschliche Psyche möchte Dinge verstehen, damit sie nicht mehr bedrohlich sind, damit wir Kontrolle zurückerlangen. In einem anderen Video habe ich es so formuliert: die Psyche bevorzugt das bekannte Übel gegenüber dem Unbekannten. Wir üben Kontrolle aus, damit wir uns nicht fürchten müssen. Aus dem Grund kann es durchaus Sinn machen, sich jetzt ein bisschen Theorie anzutun, weil ihre Psyche es Ihnen mit Wohlbefinden durch die Kontrolle danken wird. Das ist übrigens eine allgemein gültige Regel, nicht nur bei der Trauer, sondern bei jedem Problem/Konflikt, der eine emotionale Reaktion hervorruft. Sich schlau zu machen hilft somit immer, aber bitte achten Sie auf eine seriöse Quelle und schlagen Sie nicht mögliche Krankheiten nach, das wird sie mehr verunsichern als Ihnen Ruhe geben.

 

In der Psychologie werden Theorien und Modelle aufgestellt, genau wie in anderen Wissenschaften auch, um wie gesagt mehr Kontrolle, mehr Verständnis über Abläufe zu entwickeln. Aber das sind immer nur Theorien und Modelle, das heißt, es handelt sich dabei nicht um die ultimative Wahrheit. Es ist ein versuch eine sich einer Thematik anzunähern, die sehr komplex ist.

Diese Modelle verändern sich aber auch über die Jahrzehnte, das heißt es ist eine Momentaufnahme vom aktuellen Stand der Fachwelt. Da die Trauer so individuell ist und von jedem anders empfunden wird, stelle ich Ihnen drei unterschiedliche Modelle vor, damit Sie selber auswählen können, welche Sie am meisten anspricht. Und noch mal: keines dieser Modelle ist richtig oder falsch , es ist einfach eine Art und Weise auf einen Prozess zu schauen und Sie dürfen einfach dem Bild folgen, das Sie am meisten anspricht , was sie als logisch oder richtig oder stimmig empfinden.

Modell V. Kast

Die Schweizer Psychologin Verena Kast beschreibt vier Phasen im Trauerprozess.

 

  1. Phase: Nicht-Wahrhaben-Wollen
  2. Phase: Aufbrechende Emotionen
  3. Phase: Suchen und Sich-Trennen
  4. Phase: Neuer Selbst- und Weltbezug
  1. Phase: Nicht-Wahrhaben-Wollen

– Schock
– isoliert
– hilflos, überfordert, allein gelassen
– verzweifelt
– leugnen

 

  1. Phase: Aufbrechende Emotionen

– brechen Gefühle auf
– Wut, Zorn, Verzweiflung
– Aggression – auch geg. sich selbst
– Schuldgefühle möglich

 

  1. Phase: Suchen und Sich-Trennen

– Nähe zum Verstorbenen suchen
– alte Erinnerungen neu durchleben
– geliebte Orte aufsuchen
– sich emotional mit Verstorbenem verbinden
– es ist ein Entscheidungsprozess im Gange:
-> weiter trauen
-> neu orientieren

 

  1. Phase: Neuer Selbst- und Weltbezug

– Schmerz tritt in den Hintergrund
– innerer Friede kehrt langsam zurück
– Tod wird akzeptiert
– Pläne für die Zukunft
– Aktivitäten aufnehmen

 

Es gibt keine Regel-Trauerzeit. Früher hat man in Therapie gesagt, dass Trauer oder auch Trennung vier Jahreszeiten braucht. Also quasi, dass man ein ganzes Jahr mit allen Feiertagen an Geburtstagen einmal alleine, ohne die Personen oder ohne was man loslassen musste, durchlebt und das ist das harte Jahr, man sich aber auch schon neu orientiert. Der Abschied von einer engen Bezugsperson kann Jahre dauern. Das bedeutet aber nicht, dass wir Jahre lang leiden!

 

Modell Kübler-Ross

 

Elisabeth Kübler-Ross, eine schweizerisch-US-amerikanische Psychiaterin hat Fünf Trauerphasen formuliert. Sie werden merken, dass es viele Ähnlichkeiten zu den 4 Trauerphasen nach Kast kommt, weil sie natürlich ein und dasselbe Phänomen beschreiben. Es gibt aber feine Nuancen, welche hilfreich sind, um noch mehr darüber zu verstehen.

 

Phase 1: Leugnen

– Nicht-Wahrhaben-Wollen
– Isolierung
– Verdrängung
– kann bereits vor dem Tod beginnen

 

Phase 2: Zorn

– Wut
– geg. Verstorbenen, weil er gegangen ist
– geg. andere, weil sie noch weiterleben

 

Phase 3: Verhandeln

– kurze Phase
– beten zu Gott
– Ablenken
– sich in die Beerdigungsvorbereitung stürzen

 

Phase 4: Depression

– nicht die Diagnose Depression
– Gefühl der inneren Leere
– Verzweiflung
– Reue
– über den Verlust nachgrübeln

 

Phase 5: Akzeptanz

– Resignation
– Annahme
– sozialer Rückzug
– das Umfeld wird abgelehnt/zurückgewiesen

 

Der US-amerikanischen Psychologen und Trauerforschers George A. Bonanno beschreibt den Verlauf der Trauer in Wellen: sie kommen und gehen.

 

– am Anfang ist der «Wasserstand» hoch – man hat das Gefühl zu ertrinken

– Wellen erlauben das «Luftholen»

– Mit der Zeit sinkt der «Wasserstand»

– die Wellen werden seltener

 

So viel zum Theorieteil. Ich hoffe, Sie konnten etwas Neues für sich mitnehmen. Wenn ja, dann tun Sie mir doch den Gefallen und klicken auf LIKE und abonnieren meinen Kanal, damit auch andere die Chance haben auf dieses Video aufmerksam zu werden und davon zu profitieren.

 

Im nächsten Video geht es dann um die Praxis, darum einen Umgang mit der Trauer zu finden und wie wir Menschen in Trauer begegnen können.

 

In der nächsten Folge geht es dann um die Praxis, darum einen Umgang mit der Trauer zu finden und wie wir Menschen in Trauer begegnen können.

 

Bis dahin wünsche ich Ihnen viel Kraft, um Schritte in die Heilung zu gehen.

Ihre Christina Benner