Sympathische Aktivierung - akute Stressreaktion

In diesem Artikel erkläre ich Ihnen:
– den Unterschied zwischen Sympathikus und Parasympathikus
– welche Funktionen diese 2 Nervensysteme in unserem Körper haben
– wofür die sympathische Aktivierung gut ist
– welche Prozesse im Körper ablaufen und
– wie wir das Muster der ungewollten sympathischen Aktivierung durchbrechen können

Unterschied zwischen Sympathikus und Parasympathikus
Der Sympathikus und der Parasympathikus sind zwei Nervensysteme, die wir bereits seit Urzeiten in uns tragen und die maßgeblich unser Überleben durch die Jahrhunderte und Jahrtausende gesichert haben.

Welche Funktionen haben diese 2 Nervensysteme in unserem Körper 
Der Sympathikus Nerv ist dabei der Nerv für die Aktivierung und besitzt eine Nerven Leitung die 100 bis 1000 mal schneller leitet (also Informationen weitergibt) als der Parasympathikus.

Der Parasympathikus dient der Erholung und besteht aus dem Ventralen- und Dorsalen Vagus (vagus = Nerv). Und da die Leitung des Parasympathikus langsamer leitet, bedeutet das, dass es mehr Zeit benötigt, bis wir in die Erholung gefunden haben.

Wir haben also sozusagen ein Nervensystem das uns hochfährt und eines das uns wieder herunterfährt.
Es ist normal, dass wir durch den Tag hindurch einen Wechsel haben. Gesund leben wir
jedoch dann, wenn wir schwerpunktmäßig entspannt sind und nur kurz angespannt.
Der Körper ist nicht darauf ausgelegt über stunden Tage und Wochen daueraktiviert/also im Dauerstress Modus zu sein. Warum erkläre ich später.

Wofür ist die sympathische Aktivierung gut 
Sympathische Aktivierung finden wir im Guten, wenn wir gut gelaunt sind, Spaß haben, lachen tanzen spielen und wir finden Sie im bedrohlichen Zustand. Ein Stressauslöser, bei dem wir drei Möglichkeiten zu reagieren haben – welche wir wählen, hängt von der Art Bedrohung ab.

Werden wir mit einer Bedrohung konfrontiert, die wir als bewältigbar einschätzen, dann reagiert der Körper mit Kampf – wir wehren uns. Schätzt die Psyche die Bedrohung als hoch ein, also potentiell stärker als wir, dann fliehen wir, wir rennen weg. Und wenn die Psyche die Bedrohung als übermächtig wahrnimmt, dann werden wir ohnmächtig, wir fallen in einen Totstell-Modus.

Deswegen heißen die Aktivierungs-Zustände im englischen auch die 3 Fs`: fight, flight und freeze.

In der Traumaforschung diskutiert man noch eine vierte sympathische Aktivierung.
Diese ist seltener, deswegen ist sie nicht auf jeden Menschen anwendbar, ich möchte sie allerdings erwähnen, weil gerade traumatisierte Menschen gerne zu diesem 4. Typ tendieren und das ist die FAWN-Response. Ich nenne das gerne Bambi-Modus, weil man es sich so besser vorstellen kann. Hier wird auch auf eine Bedrohung reagiert, jedoch bereits im Vorfeld, wenn die Bedrohung sich erst anbahnt. In der Regel ist das ein Verhalten, was Kinder bereits jung erlernen. Es dient dem Schutz des Kindes. Sie beginnen die Situation so zu beeinflussen und zu managen, dass die Bedrohung abgewendet werden kann. Das heißt, wenn das Elternteil nach Hause kommt und ich bereits gereizt ist, beginnt das Schutzprogramm. Das Kind kann die Verhaltensweisen des Elternteils «lesen» und das zukünftige Verhalten, was das Kind als traumatisch oder bedrohlich empfindet, antizipieren und dagegensteuern. Es weiß also genau, was es tun muss, damit das Elternteil nicht noch gereizter wird und dann die Fäuste fliegen oder zur Flasche gegriffen wird. Es versucht sich anzupassen, zu verbiegen, damit die Situation Zuhause bloß nicht eskaliert. Dann beginnt das Kind sich so zu verhalten damit das Elternteil möglichst wieder beruhigt und die Bedrohung für das Kind sinkt.

Manche behalten diese Schutzmaßnahmen, dieses kontrollierende Verhalten des Umfeldes mit ins Erwachsenenalter. Eine Folge des kindlichen Traumas. Man möchte unbedingt verhindern, sich so ohnmächtig und überfordert zu fühlen. Also kontrolliert man alles und verschafft sich eine vermeintliche Sicherheit. Aus einem Gefühl der Angst heraus und dem Wunsch möglichst viel Sicherheit generieren zu wollen. Das ganze Umfeld beruhigen und managen. Doch Kontrolle und Vertrauen sind die Kehrseiten derselben Münze und wer nicht aufhört alles kontrollieren zu wollen, der kann leider auch kein Vertrauen aufbauen. Doch das wäre das Thema für ein anderes Video.

Keiner dieser sympathisch aktivierten Zustände ist gut/richtig oder falsch. Es ist einfach. Und bedeutet Stress für ihre Psyche und ihren Körper. Denn psychischer Stress, Angst, Unsicherheit setzt im Körper ganz viele Prozesse in Gang.

Was genau passiert nun im Körper?
Die Pupillen weiten sich, damit wir möglichst viel erkennen können, also möglichst früh den Feind entdecken. Gleichzeitig geht unser Blick für das Detail verloren. Ist auch nicht wichtig, denn wir müssen nur sehen, ob da der Säbelzahntiger angerannt kommt, oder ob uns ein Baum im Weg steht. Ein schönes Gemälde könnten wir aber in dieser Situation nicht mehr in seiner Einzigartigkeit erfassen.

Unsere Atmung beschleunigt sich, denn jetzt soll möglichst schnell möglichst viel Sauerstoff im Körper verteilt und zu den Muskeln transportiert werden. Denn Bedrohung bedeutet Kampf oder Flucht und das heißt, ich brauche jetzt viel Energie zum Rennen zum Boxen oder wofür auch immer.
Damit diese schnelle flache Atmung aktiviert werden kann, setzt der Körper Adrenalin frei. Deswegen sind wir auch sofort wach und hochkonzentriert. Das Herz schlägt schneller, der Puls und der Blutdruck steigen.
Sprachzentrum wird deaktiviert, weil es jetzt nicht darum geht eloquente Reden zu schwingen.

Also man kann grob sagen, der Körper aktiviert alles was er fürs kämpfen und rennen benötigt und deaktiviert alles was er nicht benötigt.

Neben der Sprache gehört auch die Verdauung dazu. Daher kann es auch zum Einnässen bei Angst kommen. Der Körper stößt Ballast ab.

Wenn wir dann tatsächlich kämpfen oder rennen ist das eine gesunde Reaktion.
Der Körper hat uns Energie zur Verfügung gestellt und wir benutzen sie jetzt – alles wunderbar.
Wenn wir das aber nicht tun, sei es, weil wir gerade in der stressigen Situation sind und unser Chef uns klein macht und wir eben jetzt nicht anfangen können mit ihm in den Boxring zu steigen, oder wir regen uns auf, weil wir im Stau stehen und sich die Mitfahrer total unmöglich verhalten, dann verbleibt diese zusätzliche Energie im System und das ist auf Dauer ungesund und macht uns letzten Endes krank.

Dauert die Stresssituation länger an, dann wechselt der Körper vom Adrenalin, dass sehr schnell wirkt, aber auch innert 20min abgebaut ist – auf das langsame Stresshormone Cortisol. Cortisol braucht länger, bis es wirken kann, verbleibt dann aber Stunden und
sogar Tage im System. Cortisol fördert Entzündungsprozesse im Körper – es macht uns auf Dauer also wirklich krank Stress zu haben. Rein körperlich.
Cortisol kann nur abgebaut werden, wenn wir diese Energie im Körper verbrauchen, sei es durch Sport, Bewegung, Sex oder durch Schlafen.

Auf Dauer Cortisol zu produzieren schwächt aber unsere Nebenniere – dort wird Cortisol produziert. Wenn diese dann in der Produktion erlahmt kann es zum Burnout kommen. Das zieht dann weitere Erkrankungen nach sich.

Deswegen wird ihnen auch jeder Arzt raten Stress zu reduzieren, damit Sie von dieser sympathischen Aktivierung wegkommen. Sie können nicht entspannen, wenn Sie Stress haben, das leuchtet ja auch unmittelbar ein. Auch der Schlaf leidet unter Cortisol.
Da aber der Parasympathikus eine so viel langsamere Leitung hat wie der Sympathikus, können wir nicht auf Knopfdruck entspannen, sondern wir brauchen Zeit dafür, um langsam runterzufahren. Und diese Zeiten nehmen wir uns in der Regel im Alltag nicht mehr. Und dann gehen wir ins Bett mit einem Stresshormon das schon den ganzen Tag aktiv ist und wundern uns, warum wir nicht ein oder durchschlafen können.

Wie wir das Muster der ungewollten sympathischen Aktivierung durchbrechen können
Ich empfehle Ihnen, die Stressleiter wieder nach oben zu steigen und von dort zu der empathischen Beziehung zu sich und zu anderen Menschen zurück zu wechseln.

Für die menschliche Psyche gibt es keinen bedrohlicheren Zustand als das Freeze – die komplette Überforderung. Deshalb ist es besser, aus einer sehr bedrohlichen Situation zu fliehen, als sie schweigend auszuhalten und den Stress stumm zu ertragen.

Noch besser ist es allerdings, wenn es Ihnen gelingt, über die Ungerechtigkeit wütend zu werden. Also sich zu mobilisieren. Gegen den Aggressor anzugehen. Damit meine ich nicht: hauen Sie ihm auf die Nase.

Sondern, regen Sie sich auf, schlagen Sie einen schärferen Tonfall ein, setzen Sie deutlich eine Grenze, sagen Sie «nein, so nicht». Riskieren Sie einen Streit. Ihre Psyche wird es Ihnen danken, weil Sie so vom Erdulden ins Handeln kommen.

Das ist natürlich kein End-Zustand. Es ist eine Krücke, derer Sie sich vorübergehend bemächtigen, um später wieder ganz alleine gehen zu können. Leider klappt es in der Regel nicht von der Ohnmacht direkt in ein empathisches Miteinander zu wechseln. Am besten probieren Sie es selbst aus. Bleiben Sie nicht länger Opfer Ihrer Gefühle.

Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen, beim Erklimmen der sympathischen Aktivierungsleiter, damit Sie möglichst rasch wieder zu einem harmonischen Umgang mit sich und anderen zurück finden. 
Ihre
Christina Benner